Gewichtsklasse bis 69 kg
- Magomed Schachidov ist 1994 geboren und trainiert am Bundesstützpunkt Heidelberg.
- In dieser Gewichtsklasse hat der DBV zwei Olympiakandidaten: Neben Magomed Schachidov außderdem noch Paul Wall. Nur einer kann sich aber für Tokyo qualifizieren.
- Der DBV wird einen von beiden zum Weltqualifikationsturnier entsenden, um in dieser Gewichtsklasse die letzte Qualifikationschance für Tokyo zu nutzen.
Das Athletenportrait
Wenn es darauf ankommt, ist er da alleine zwischen den Seilen, wie jeder Boxer, aber in gewisser Weise auch nicht. Magomed Schachidov versteht sich schließlich als Teil eines Systems namens Familie, das für ihn maßgebend ist. »Ich boxe nicht für mich«, sagt er, »sondern ich boxe, um etwas zu verarbeiten, die Vergangenheit. Das hat auch mit dem Stolz und der Ehre der Familie zu tun. Unser Zusammenhalt ist sehr stark, wir haben viel durchgemacht …«
Aus Tschetschenien nach Deutschland
Vergangenheit: Das meint den Krieg und das Chaos in Tschetschenien, vor dem die Familie vor 17 Jahren Richtung Bayern floh. Umso erstaunlicher ist das Tempo, in dem der so ernsthafte wie höfliche Sohn (Jg. 1994) auf allen Ebenen in die neue Gegenwart gefunden hat. Beim TSV 1860 München avanciert er zu einem angstfreien, willensstarken Faustkämpfer, der mit 23 Jahren deutscher Meister im Weltergewicht wird. Daneben verfolgt er ein Lehramts-Studium und schließt sich der Bundeswehr an, um am Bundesstützpunkt in Heidelberg auf höhere Ziele hin zu trainieren. »Wer zu den olympischen Spielen fährt, ist bei uns der Held und hat einen bestimmten Ruf«, erklärt Schachidov. Und: »Es ist einfach der Wunsch meines Vaters, sein Traum, dass er mich eines Tages dort sieht. Das ist ein Faktor, der mich jeden Tag antreibt.«
In der Bundesliga für den BSK Hannover-Seelze
Enormer Drive ist tatsächlich in jeder Sekunde zu spüren, wenn Schachidov in den Ring steigt. Nicht umsonst wurde er vom Fachblatt »BoxSport« 2018 zum »AIBA-Boxer des Jahres« gewählt – sowie vom BSK Hannover-Seelze für die Bundesliga rekrutiert. Dazu kommt ein brennender Ehrgeiz, sich weiter zu optimieren. »Ich habe nur zwei, drei Kämpfe im Kopf, die ich gewonnen habe«, versichert er. »Sonst nur Niederlagen, das beschäftigt mich sehr. Aber ich nehme auch viel davon mit.«
Nach Handfraktur wieder zurück im Rennen
Zum Herbst 2019 wurde Schachidov dann nicht zum ersten Mal von einer Fraktur der Schlaghand ausgebremst. Die OP machte es ihm unmöglich, sich auf nationaler Ebene für das Turnier in Tokio zu positionieren. In diesem Sinne hat ihm die Verschiebung wegen Corona »in die Karten gespielt«, wie er gesteht: »Ich habe dadurch Zeit gewonnen, bin wieder im Rennen.« Außerdem habe er in der Kampfpause »etwas was über mich selbst gelernt« und »mir bewiesen, wie sehr ich das will.«
So wurde aus der persönlichen Krise letztlich eine erneute Bestätigung. Tief in seinem Innern ist Magomed Schachimov ohnehin davon überzeugt, »dass alles aus einem bestimmten Grund passiert. Ich habe jedenfalls meinen Frieden damit gefunden und versuche, irgendwo einen zweiten, dritten Sinn dahinter zu sehen …« Einen zweiten Sinn? »Vielleicht wollte ich ja zu viel auf einmal und zu schnell.« Wer es so sehen kann, ist im Ring tatsächlich nicht allein.